Wie die Dortmunder nach Wuppertal kamen
Die Wuppertaler Straßenbahn geriet Anfang der 1980er Jahre in Bedrängnis. Mittlerweile war das einst große Netz zu einem Rumpfnetz zusammengeschrumpft, das sich im Wesentlichen auf die Talachse konzentrierte und seine äußersten Endpunkte in Wieder und in Langerfeld an der Dieselstraße hatte. Bahnen in Nord-Süd-Richtung gab es, von den kurzen Strecken Berliner Platz – Weiherstraße, Loher Straße – Klinikum und Elberfeld – Gabelpunkt nicht mehr. Dieses Netz hätte als Rückgrad eines Straßenbahnbetriebs in Wuppertal ausgereicht und hätte Optionen für eine spätere Erweiterung bereitgehalten. Trotzdem war der Fortbestand der Straßenbahn damals sehr ungewiss. Trotz aller Zweifel, der Fahrbetrieb musste aufrechterhalten bleiben, der Rat der Stadt hatte bislang noch nicht endgültig über die Zukunft der Bahn entschieden.
Der Wagenbestand der Stadtwerke setzte sich Anfang der 1980er Jahre aus vier und achtachsigen Großraumwagen zusammen. Die Vierachser wurde in den 1950er Jahren neu von den #pic1# WSW beschafft. Die sogn. Schüttelrutschen bestanden aus zwei Wagenhälften, die sich jeweils auf ein zweiachsiges Drehgestell abstützten. Zwischen den beiden Wagenteilen gab es ein kurzes, schwebendes Mittelteil, dass mit jeweils einem Gelenk an die Hauptwagen anschloss. Aufgrund des geringen Achsstandes der beiden Drehgestelle neigten diese Wagen schnell zum Schlingern, was ihnen den Spitznamen Schüttelrutsche einbrachte.
Anfang der 1950er Jahre beschaffte die WSW bei DÜWAG vierachsige Großraumwagen. Aufgrund des steigenden Bedarfs lies sie später aus jeweils zwei Vierachsern und einem neu gebautem Mittelteil achtachsige Gelenktriebwagen bauen. #pic2# #pic3# So wurden in den 1960er Jahren 16 Wagen hergestellt. (3801 – 3816) Um weitere Altbauwagen abstellen zu können, mussten 1960 weitere Achtachser beschafft werden. Bei DÜWAG wurden sechs neue achtachsige Gelenktriebwagen beschafft. Diese unterscheiden sich u.a. durch eine schräg gestellte Frontscheibe von den Umbau-Gtws.
Als Anfang der 1980er Jahre die Zukunft der Straßenbahn ungewisser denn je war, standen die Schüttelrutschen vor dem Ablauf ihrer Fristen. Es standen umfangreiche Arbeiten sowie die Hauptuntersuchungen der nicht mehr zeitgemäßen Wagen an. Bei den WSW wurden nun verschiedene Möglichkeiten erwogen, wie der Wagenpark in Zukunft aussehen sollte. Es gab drei Optionen. Zum ersten könnten Neubauwagen angeschafft werden. Damals waren die Wagen der Gattung N modern, die sich im Ruhrgebiet inzwischen stark verbreitet hatten. Aufgrund der unklaren Zukunft der Bahn schied diese Option aber aus. Ein Förderzusage hätte es vom Land ohnehin nur dann gegeben, wenn der Fortbestand der Bahn für mindestens 20 Jahre bis in Jahr 2000 garantiert worden wäre. Um Zweiten wurde die Aufarbeitung der Vierachser diskutiert. Diese Arbeiten wären verhältnismäßig teuer geworden und hätten den Fahrkompfort nicht erhöht. Die Schüttelrutschen waren zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr mordern. Als dritte Möglichkeit sahen sich die WSW in der Bundesrepublik mit dem Ziel um, gebraucht relativ moderne Wagen zu erwerben. Bei den Dortmunder Stadtwerken (DSW) wurden die WSW schließlich fündig. In Dortmund gingen gerade die ersten Stadtbahnstrecken mit dem neuen Innenstadttunnel in Betrieb, wozu neue B-Wagen beschafft wurden. Dadurch wurden achtachsige Großraumgelenktriebwagen frei. Diese Wagen waren ähnlich wie die Wuppertaler Wagen 3801 bis 3822 aufgebaut und ausgerüstet. Während die Wuppertaler Wagen von DÜWAG stammten, kamen die Dortmunder Wagen von Hansa. Das größte Problem bei einer eventuellen Übernahme von Wagen aus Dortmund stellte der rund zehn Zentimeter breitere Wagenkasten dar. Am 24. und 25.11.1982 wurden zwei Wagen aus Dortmund per Tieflader nach Wuppertal zur Walterstraße transportiert. Die WSW wollten mit den beiden Wagen Testfahrten auf dem Wuppertaler Netz durchführen. Um die notwendige Profilfreiheit für die 2,30 Meter breiten Wagen besonders bei Kurvenfahrten zu testen, wurden u.a. an den Wagenköpfen #pic4# #pic5# Styroporstreifen angebracht, an denen man absehen konnte, ob eine Kurve problemlos durchfahren werden konnte. Nachdem man bei diesen Testfahrten feststellte, das der Einsatz der Dortmunder Wagen ohne größere Umbauten möglich war, fiel die Entscheidung der Stadtwerke zugunsten der Dortmunder Wagen aus. Bis zum Mai 1983 wurden insgesamt acht Wagen aus Dortmund angekauft, die nach und nach die alten Vierachser ersetzten. Um die breiteren Neuzugänge im Netz einsetzten zu können, mussten die Gleise am Döppersberg und im Bereich Höhne/Rudolf-Herzog-Straße auseinander gezogen werden. An einigen Stellen mussten Oberleitungsmasten versetzt werden und an sechs Stellen im Netz wurde ein Begegnungsverbot erlassen.
Das dieses Modell damals eine gute Wahl war, rechnete die Wuppertaler Rundschau damals vor. Die Dortmunder haben die Wagen für je 50.000 DM abgegeben, während die Modernisierung der Schüttelrutschen mit bis zu 500.000 DM zubuche schlagen sollte. Falls die Straßenbahn in Wuppertal eine Zukunft gehabt hätte, währe auch der Kauf der inzwischen breiteren Neufahrzeuge möglich gewesen, da das Netz nun auch mit 2,30 m breiten Wagen befahren werden konnte.
Der letzte Neuzugang im Straßenbahnsektor der WSW stellte der Wagen 3831 dar. Am 12.01.1985 brannte der aus Dortmund übernommene Wagen 3827 im Bereich der Haltestelle Saurenhaus nach einem Kurzschluss komplett aus. Als Ersatz übernahmen die WSW einen Achtachser aus Karlsruhe, der ursprünglich aus Dortmund dorthin gelangt war. Der Wagen 3829 musste kurz nach seiner Inbetriebnahme in Wuppertal nach einem Umfall mit einem LKW ausgemustert werden. Dieser Wagen wurde nicht ersetzt.
Die Dortmunder Wagen wurden wie folgt in den Bestand aufgenommen:
WSW DSW
Erster Einsatztag WSW
3823 ex DSW 60 24.05.1983
3824 ex DSW 42 24.05.1983
3825 ex DSW 75 26.04.1983
3826 ex DSW 47 16.05.1983
3827 ex DSW 43 16.05.1983
3828 ex DSW 44 26.04.1983
3829 ex DSW 46 24.05.1983
3830 ex DSW 45
Alle Wagen wurden offiziell am 02.05.1983 in den Bestand der WSW übernommen.
Die Dortmunder Wagen präsentierten sich in gänzlich unterschiedlichem Farbschema auf Wuppertal Gleise. Einige Wagen wurden in den damals aktuellen Schwebebahnfarben (orange/blau) lackiert. Andere Wagen erhielten noch die alte beige Farbgebung, weil noch Restbestände der Farbe vorhanden waren. Andere Wagen fuhren in der Dortmunder Lackvariante (braun/beige) durch die Stadt. Der Wagen 3823 behielt seine Dortmunder Ganzreklame für einen Jeansgeschäft. Der Wagen viel in Wuppertal durch sein rot/weiß gestreiftes Äußere auf. Wagen 3823 erhielt im unteren Fahrzeugbereich die alte Wuppertaler Lackierung, während im Dachbereich das alte Dortmunder Braun vorhanden blieb. Die Wagen 3825 und 3828 behielten ihren Dortmunder Lack vollständig, während 3827 in den Schwebebahnfarben umlackiert wurde. Eine Züge erhielten Wuppertaler Werbung, einige wahren noch eine gewisse Zeit mit ihren Dortmunder Werbeaufdrucken unterwegs. Später wurden einzelne Fahrzeuge bei anstehenden Untersuchungen umlackiert.